Springe direkt zu

10 Jahre Patientenrechtegesetz

Ihre Rechte als Patient – heute und in Zukunft

Seit zehn Jahren sind Ihre Patientenrechte gesetzlich verankert, im sogenannten
Patientenrechtegesetz. Wir feiern deshalb 2023 als Jahr der Patientenrechte. Hier erfahren Sie, welche Rechte Sie als Patient oder Patientin bereits heute haben – und wie der Patientenbeauftragte der Bundesregierung diese Rechte in diesem Rahmen weiter verbessern möchte.

Ihre Patientenrechte ...

... bei der Behandlung

Behandlungssituation Ärztin / Patient Bluthochdruck, Diabetes oder Rückenschmerzen: Jeden Tag lassen sich in Deutschland Millionen von Menschen behandeln. Doch die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten kennt ihre Rechte gar nicht oder nur zum Teil. Dabei sind mit der medizinischen Behandlung klare Rechte und Pflichten verbunden.

Was ist ein Behandlungsvertrag?

Mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt schließen Sie einen Vertrag ab – den sogenannten Behandlungsvertrag. Er kommt dann zustande, sobald Sie sich behandeln lassen. Dazu braucht es keine schriftliche Vereinbarung. Als Patientin oder Patient haben Sie Anspruch auf eine Behandlung, die den allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht. Ein Recht auf einen Behandlungs- oder gar Heilungserfolg lässt sich daraus aber nicht ableiten. Als Gegenleistung hat die Ärztin oder der Arzt Anspruch auf Gewährung einer Vergütung – diese übernimmt die Krankenkasse. Ein Behandlungsvertrag kommt nicht nur dann zustande, wenn Sie von einer Ärztin oder einem Arzt behandelt werden. Ein Behandlungsvertrag kommt immer dann zustande, wenn sie medizinisch behandelt werden, also auch bei der Physio- oder Ergotherapie.

Welche Informations- und Aufklärungspflichten hat mein Arzt / meine Ärztin?

Begrüßung mit Handschlag: Arzt und Patientin

Als Patientin oder Patient müssen Sie umfassend über Ihre Behandlung informiert und aufgeklärt werden, also über alles, was für die Behandlung wichtig ist – von Untersuchungen über Diagnose und Therapie bis hin zur voraussichtlichen gesundheitlichen Entwicklung. Stehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl, die mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken und Heilungschancen verbunden sind, müssen Sie auch darüber aufgeklärt werden.

Die Aufklärung muss rechtzeitig vor der Behandlung in einem persönlichen Gespräch erfolgen, damit Sie nachfragen können. Dabei kann die Ärztin oder der Arzt auch schriftliche Unterlagen nutzen. Allerdings dürfen diese Unterlagen das Gespräch nicht ersetzen. Von Papieren, die Sie bei der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet haben, müssen Sie eine Kopie erhalten.

Die Ärztin oder der Arzt muss Sie auch über die Kosten der Behandlung informieren – insbesondere dann, wenn für die Ärztin oder den Arzt erkennbar ist, dass die Kosten von Ihrer Krankenkasse nicht bezahlt werden. Für gesetzliche Versicherte sind das vor allem sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die medizinisch nicht notwendig sind. In diesen Fällen ist Ihre Ärztin oder Ihr Arzt verpflichtet, vor der Behandlung einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Im Krankenhaus nennen sich diese Leistungen Wahlleistungen, z.B. Chefarzt-Behandlung oder Einbett-Zimmer.

Wie willige ich in eine Behandlung ein?

Ob und wie Sie sich behandeln lassen, ist allein Ihre Entscheidung. Für welche Behandlung Sie sich letztlich entscheiden, regeln Sie über Ihre Einwilligung. Diese ist nur wirksam, wenn Sie über die Behandlung vorher umfassend, verständlich und rechtzeitig aufgeklärt worden sind. Bei Patientinnen oder Patienten, die aufgrund ihres Zustandes nicht in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidung zu verstehen, muss eine Vertreterin oder ein Vertreter nach vorheriger Aufklärung an ihrer Stelle entscheiden – falls dies nicht über eine Patientenverfügung geregelt ist. Damit die Betroffenen nicht übergangen werden, muss sich die Ärztin oder der Arzt so gut wie möglich auf die jeweilige Patientin oder den jeweiligen Patienten und ihre Situation einstellen und versuchen, das Aufklärungsgespräch so verständlich wie möglich zu führen.

Was, wenn ich nicht in der Lage bin, Entscheidungen zu treffen?

Loving wife sitting at her husband's hospital bedSeit 2023 dürfen Ehepartner in medizinischen Notsituationen für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten Entscheidungen in Gesundheitsangelegenheiten füreinander übernehmen. Eine weitergehende Vorsorge ist aber ratsam. Mit einer Patientenverfügung legen Sie für den Fall im Voraus schriftlich fest, ob Sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation in eine konkrete ärztliche Untersuchung oder Behandlung einwilligen oder diese untersagen. Die Ärztin oder der Arzt muss sich unabhängig vom Stadium der Erkrankung an eine Patientenverfügung halten, wenn in der Erklärung Ihr Wille eindeutig und sicher festgestellt werden kann.

Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, muss ein rechtlicher Betreuer auf Grundlage der Behandlungswünsche entscheiden, ob er bzw. sie in die ärztliche Maßnahme einwilligt oder sie untersagt. Falls keine Behandlungswünsche vorliegen, muss der rechtliche Betreuer sich daran orientieren, wie Sie in der konkreten Situation entscheiden würden, wenn Sie dazu in der Lage wären. Es ist ratsam, dass Sie eine Person, der Sie vertrauen, mit einer Vorsorgevollmacht zur Vertretung in gesundheitlichen Angelegenheiten ermächtigen.

Was ist die Patientenakte?

Senioren Paar liest einen Vertrag oder eine Vorsorgevollmacht oder eine PatientenverfügungGehen Sie zu einer Ärztin oder einem Arzt, wird Ihre Behandlung in einer sogenannten Patientenakte festgehalten. In ihr müssen alle relevanten Informationen zu Behandlungen dokumentiert werden. Sie erleichtert den Austausch zwischen Ihnen, Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sowie weiterbehandelnden Medizinerinnen und Medizinern. In der Patientenakte müssen alle Informationen zeitnah und vollständig aufgezeichnet werden – etwa Krankengeschichte, Diagnosen von Krankheiten, Untersuchungen und Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe, aber auch Aufklärungen, Einwilligungen und Arztbriefe.

Die Patientenakte kann sowohl in Papierform als auch elektronisch verwaltet werden. Wichtig ist, dass nachträgliche Änderungen stets mit Angabe des Datums gekennzeichnet sind und der ursprüngliche Inhalt weiterhin erkennbar bleibt. Die Patientenakte muss nach Abschluss der Behandlung zehn Jahre aufbewahrt werden.

Welche Rechte habe ich beim Einblick in die Patientenakte?

Sie haben das Recht, Ihre vollständigen Behandlungsunterlagen einzusehen. Auf Ihren Wunsch ist Ihnen die Patientenakte elektronisch oder in Kopie zur Verfügung zu stellen. Für den Aufwand, die dem Arzt durch die Zusammenstellung und Überlassung von Befundunterlagen entstehen, können Ihnen Kosten entstehen; in der Regel 50 Cent pro Kopie. Derzeit entscheidet der Europäische Gerichtshof, ob die Herausgabe der Patientenakte in Kopie kostenfrei ist. Verstirbt die Patientin oder der Patient, steht ihren oder seinen Angehörigen das Recht auf Einsicht zu, wenn sie damit vermögensrechtliche Interessen wahrnehmen wollen – es sei denn, die Patientin oder der Patient hätte dies nicht gewollt.

Die Einsicht darf nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden und muss begründet werden. Besteht etwa die begründete Befürchtung, dass eine Patientin oder ein Patient dadurch gesundheitlichen Schaden nehmen könnte, kann die Ärztin oder der Arzt die Einsicht verweigern. Ein weiterer Grund können die Persönlichkeitsrechte Dritter sein: Werden persönliche Informationen über Angehörige erwähnt, sind diese Angaben zu schützen.

Bei Behandlungsfehlern kann die Patientenakte ein wichtiges Beweismittel im Prozess darstellen. Hat eine Ärztin oder ein Arzt zum Beispiel eine Untersuchung oder eine medizinische Maßnahme nicht dokumentiert, gilt eine Beweiserleichterung. Es wird dann zu Lasten der Ärztin oder des Arztes vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme nicht erfolgt ist.

Senkung des Beweismaßes

Seit langem und auch schon zum Zeitpunkt der Diskussionen zum Patientenrechtegesetz 2013 besteht die Erkenntnis, dass die Anforderungen an die Beweislast zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen aufgrund vermuteter Behandlungsfehler zu hoch seien. Ich setze mich deswegen für eine Senkung des Beweismaßes hinsichtlich der Kausalität zwischen Fehler und Schaden von der richterlichen Überzeugung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit Aktuell liegt die Beweislast bei Behandlungsfehlern grundsätzlich bei den Patientinnen und Patienten, das heißt sie sind mit dem Beweis eines Behandlungsfehlers, eines Schadens sowie des entsprechenden Kausalzusammenhangs belastet, und zwar mit dem hohen Beweismaß der „richterlichen Überzeugung“, also mit dem Vollbeweis nach § 286 ZPO. Die Patientenseite ist aber aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit und des vorhandenen Wissensgefälles (Informationsasymmetrie) zwischen ihnen und den Ärztinnen und Ärzten in einer schlechten Ausgangsposition. Zudem lässt die Komplexität der Vorgänge im menschlichen Körper alternative Ursachen für den Schadenseintritt häufig nicht sicher ausschließen und der Beweis der Kausalität zur vollen richterlichen Überzeugung kann nicht erbracht werden. In diesen Fällen entfällt die Haftung der Behandlungsseite trotz feststehenden Fehlers vollständig. Dies führt dazu, dass nicht nur von den betroffenen Patienten selbst, sondern auch aus Teilen der Richter- und Anwaltschaft eine Gerechtigkeitslücke empfunden wird. Umschrieben wird die Situation mit „fehlender Augenhöhe“ und „fehlender Waffengleichheit“. Hier bedarf es dringend einer Nachjustierung und Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern.

Die Senkung des Beweismaßes von der richterlichen Überzeugung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist in den Ländern des common law, in Österreich und in der Schweiz gängige Rechtspraxis und wird der Komplexität des menschlichen Körpers insbesondere bei Mehrfacherkrankten gerecht.

Stärkung des Einsichtsrechts in die Patientenakte

Die Einsicht in die Patientenakte ist weiterhin keine Selbstverständlichkeit. Den Patientinnen und Patienten wird die Einsicht häufig nur verzögert, unvollständig oder gar nicht gewährt. Zudem ist die Frage derzeit ungeklärt, wer die Kosten für den Aufwand der Einsichtnahme zu tragen hat. Nach § 630g Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) trägt dies die Patientenseite wohingegen nach Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Behandelnden eine Kopie der Unterlagen kostenfrei an die Patientin oder den Patienten zuzusenden haben. Letztlich können für die Verfolgung von vermuteten Behandlungsfehlern weitere Dokumente entscheidungsrelevant sein – etwa Hygienepläne, Organisationspläne wie Dienstpläne, Funktionsprüfungen medizinischer Geräte, etc. Zu diesen weiteren Dokumenten zählen auch die Metadaten der Patientenakte, also ihre Änderungs- und Speicherdaten, da sie für die Richtigkeit von entscheidender Bedeutung sind. Nur so können die Anforderungen an die Dokumentation einer Behandlung nach § 630f BGB, zeitnah, vollständig und die Transparenz von Änderungen, nachvollzogen werden. Ich setze mich deswegen für eine Stärkung des Einsichtsrechts in die Patientenakte durch bessere Durchsetzung und Erweiterung auf weitere Unterlagen bei Nachweis eines berechtigten Interesses ein, wenn diese für die Rechtsdurchsetzung erforderlich sind.

Schärfung der patientenorientierten Informations- und Aufklärungspflichten der Behandelnden

Es gibt die rechtliche Pflicht zur Aufklärung über alle für die Einwilligung wesentlichen Umstände, auch über Behandlungsalternativen. Zudem muss die Ärztin oder der Arzt vor Erbringung einer Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL) über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung informieren; bei gesetzlich Versicherten muss zudem ein schriftlicher Behandlungsvertrag vor der Leistungserbringung geschlossen werden. Diesen rechtlichen Vorgaben wird in großem Umfang nicht nachgekommen. Es besteht bei IGe-Leistungen kein Mangel an Patientenrechten und rechtlichen Vorgaben, es besteht ein Umsetzungsproblem. Eine Lösung könnte sein, die Behandelnden zu verpflichten, vor der Durchführung einer solchen Leistung eine unabhängige, qualitätsgesicherte Patienteninformation auszuhändigen und zu erläutern, was das in der individuellen Situation für die Patientin und den Patienten bedeutet. Letztlich muss sichergestellt werden, dass Patienten entsprechend ihren individuellen Verständnismöglichkeiten, die für sie notwendige Aufklärung und Information erhalten, damit sie in die medizinische Maßnahme einwilligen oder diese ablehnen können. Für kognitiv beeinträchtigte Menschen oder Minderjährige gilt hierfür gerade nicht der Maßstab der Geschäftsfähigkeit, sondern der der Einwilligungs- bzw. Einsichtsfähigkeit.

Einführung eines Never-Event-Registers und Erweiterung der Fehlermeldesysteme auf Fehler

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – gerade bei den Arbeitsbedingungen und dem Personalmangel in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung.  Um Behandlungsfehler zu vermeiden, bedarf es der Transparenz über die Gründe und die Zusammenhänge ihrer Entstehung. Eine Meldepflicht von Fehlern, die nicht passieren dürfen, kann einen Impuls setzen, der die Patientensicherheits-Kultur verbessert. Ein Never-Event-Register ermöglicht eine zielführende Evaluation, ob die Anstrengungen solche Fehler zu vermeiden auch wirksam sind. Ein weiteres Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit ist die Nutzung von Critical Incident Reporting Systems (CIRS). Hierüber soll patientensicherheits-relevantes Wissen gewonnen werden, indem kritische Ereignisse anonym dokumentiert und von anderen eingesehen werden können. In einigen der bestehenden Systeme können zurzeit jedoch nur Beinahe-Fehler, aber keine tatsächlich eingetretenen Fehler dokumentiert werden. Aber gerade dies birgt den wichtigsten Erfahrungsschatz für eine Fehlervermeidung. Letztlich sollten Krankenhäuser CIR-Systeme nicht deshalb abschalten, weil sie eine rechtliche Verfolgung wegen Organisationsverschulden befürchten. Hierfür bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung.

Bild GesundheitskartenIn Deutschland gibt es die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). Rund 90 Prozent aller Deutschen sind in der GKV versichert. Ihre Beiträge werden nach der finanziellen Leistungsfähigkeit bemessen, zum Beispiel nach dem Einkommen bei Arbeitnehmern. Alle erhalten grundsätzlich die gleiche medizinische Versorgung. Die Beiträge in der PKV werden hingegen individuell vereinbart.

 

Darf ich meine gesetzliche Krankenkasse frei wählen?

Sie können Ihre gesetzliche Krankenkasse grundsätzlich frei wählen. Einige Krankenkassen sind allerdings an bestimmte Regionen oder Betriebszugehörigkeiten gebunden. Voraussetzung für einen Krankenkassenwechsel ist, dass Sie zuvor mindestens zwölf Monate in Ihrer alten Krankenkasse Mitglied gewesen sind oder ein Sonderkündigungsrecht besteht

Was leisten die unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen?

Ihre Krankenversicherung übernimmt die Kosten für alle medizinisch notwendigen Behandlungen, Medikamente sowie Hilfs- und Heilmittel. In bestimmten Fällen haben Sie Eigenanteile und Zuzahlungen zu leisten. Außerdem kommt die Krankenkasse für Vorsorgeangebote und Leistungen wie zum Beispiel Reha, Krankengeld oder häusliche Krankenpflege auf. Dabei gilt stets das Gebot der Wirtschaftlichkeit. So wird Ihnen Ihre Krankenkasse keine Röntgenuntersuchung ohne einen hinreichenden Krankheitsverdacht finanzieren. Dagegen übernimmt sie die Kosten für eine teure Strahlentherapie, sofern Ihre Ärztin oder Ihr Arzt diese für medizinisch notwendig hält.

Wie entscheide ich mich für einen Arzt bzw. eine Ärztin oder das richtige Krankenhaus?

Sitting on the sofa with laptop. Man with crutches is at home indoors. Having injuries.Als gesetzlich Versicherte oder Versicherter können Sie in der Regel frei wählen, von welcher Ärztin oder welchem Arzt Sie sich behandeln lassen. Auch wenn eine Behandlung oder Operation im Krankenhaus ansteht, haben Sie die Wahl. Ausgenommen davon sind Privatkliniken und Ärzte ohne Kassenzulassung. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt wird Ihnen bei der ärztlichen Einweisung bei Krankenhausbehandlung in der Regel mindestens zwei Krankenhäuser nennen. Auch unter Einrichtungen zur Rehabilitation können Sie eine andere als die von Ihrer Krankenkasse bestimmte Einrichtung wählen. Allerdings können dadurch entstehenden Mehrkosten von Ihnen zu tragen sein, es sei denn, diese sind im Hinblick auf Ihr Wunsch- und Wahlrecht angemessen. Klären Sie mögliche Fragen dazu im Vorfeld mit Ihrer Krankenkasse. Diese hilft Ihnen bei der Suche nach einer geeigneten Klinik oder Praxis.

Sie haben in Deutschland die Wahl unter knapp 2.000 Krankenhäusern. Um für den jeweiligen Eingriff die richtige Einrichtung zu finden, bieten Ihnen die Krankenkassen, Patienten- und Verbraucherschutzverbände sowie die Weisse Liste spezielle Online-Suchangebote an. Diese Portale ermöglichen es Ihnen, gezielt nach einem geeigneten Krankenhaus zu suchen und die Qualität einzelner Kliniken miteinander zu vergleichen.

Grundlage sind die sogenannten strukturierten Qualitätsberichte, die beispielsweise über die Qualifikation des Personals bis hin zu Komplikationsraten detailliert Auskunft geben. Sie zeigen auch, ob in den Kliniken Meldesysteme für Fehler oder Beinahe-Fehler existieren.

Patientenbefragungen von verschiedenen Krankenkassen ergänzen die Suchangebote.

Was kann ich tun, wenn ich keinen Termin bei einem Facharzt, einer Fachärztin oder in der Psychotherapie bekomme?

Gesetzliche Versicherte, die eine Überweisung zu einem Facharzt bzw. einer Fachärztin haben, aber keinen Termin bekommen, können sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigungen wenden. Für Frauenheilkunde, Augenheilkunde sowie eine psychotherapeutische Sprechstunde benötigen Sie keine Überweisung und können sich direkt an die Terminservicestelle wenden. Diese ist unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116117 täglich rund um die Uhr telefonisch, online oder per App erreichbar.

Die Terminservicestellen sollen dringlichen Fällen innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einer an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Praxis in zumutbarer Entfernung vermitteln. Im Regelfall darf die Wartezeit von vier Wochen nicht überschritten werden. Bei psychotherapeutischen Akutbehandlungen darf die Wartezeit maximal zwei Wochen betragen. Sollte es der Terminservicestelle nicht gelingen, einen passenden Termin zu vermitteln, haben sie einen ambulanten Behandlungstermin in einem zugelassenen Krankenhaus anzubieten. Dies gilt jedoch nicht in Fällen von Bagatellerkrankungen und bei verschiebbaren Routineuntersuchungen (außer termingebundene Gesundheitsuntersuchungen für Kinder).

#dde7e6

Die Terminservicestellen unterstützen gesetzlich Versicherte auch bei der Suche nach einer Haus- oder Kinderärztin bzw. einem Haus- oder Kinderarzt zur dauerhaften Betreuung. Gleiches gilt für Frauenheilkunde, Augenheilkunde sowie eine psychotherapeutische Sprechstunde – hier benötigen Sie keine Überweisung.

Welche Leistungen muss ich von der Krankenkasse genehmigen lassen – und wie?

Lassen Sie sich in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus behandeln, sind in der Regel alle notwendigen medizinischen Leistungen automatisch von Ihrer Krankenkasse abgedeckt. Es gibt allerdings eine Reihe von Leistungen, die Ihnen Ihre Krankenkasse nur auf schriftlichen Antrag gewährt. Das betrifft zum Beispiel bestimmte Hilfsmittel, Zahnersatz, Fahrtkosten sowie psychotherapeutische Behandlung.

Nach Eingang Ihres Antrags hat Ihre Krankenkasse drei Wochen Zeit, über Ihren Leistungsantrag zu entscheiden. Zieht die Krankenkasse den Medizinischen Dienst für ein Gutachten zurate, verlängert sich die Frist auf insgesamt fünf Wochen. Bei zahnärztlichen Gutachten beträgt die Frist sechs Wochen. Überschreitet Ihre Krankenkasse diese Fristen, ohne Ihnen einen hinreichenden Grund mitzuteilen, so gilt die Leistung als genehmigt. Voraussetzung ist, dass die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges liegt, dass Sie sie für erforderlich halten durften und die Leistung medizinisch notwendig war. In diesem Fall können Sie sich die entsprechende Leistung selbst beschaffen und die Rechnung an die Krankenkasse weiterleiten. Ihre Krankenkasse ist dann dazu verpflichtet, die Kosten zu erstatten.

Erhalten Sie innerhalb der Frist hingegen einen Ablehnungsbescheid, können Sie Widerspruch einlegen. Über dieses Recht muss Sie Ihre Krankenkasse informieren. In der Regel haben Sie dafür einen Monat Zeit, nachdem Sie die Nachricht der Krankenkasse erhalten haben. Den Widerspruch können Sie schriftlich bei Ihrer Krankenkasse einlegen. Dazu ist unter Umständen eine vorherige Beratung sinnvoll, die Ihnen beispielsweise die Unabhängige Patientenberatung Deutschland anbietet. Wird Ihr Widerspruch von der Krankenkasse zurückgewiesen, besteht die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen. Die Klage müssen Sie innerhalb eines Monats nach Eingang des Widerspruchsbescheids erheben. Dabei entstehen Ihnen grundsätzlich keine Gerichtskosten. Sie können sich zudem zur Überprüfung einer Entscheidung grundsätzlich auch an die zuständige Aufsichtsbehörde Ihrer Krankenkasse wenden.

... bei Behandlungsfehler

Mann mit Schmerzen am KnieÜberall dort, wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren. Aber nicht bei jeder Behandlung, die nicht zum gewünschten Resultat geführt hat, handelt es sich um einen Behandlungsfehler.
Jedoch können Fehler in der medizinischen Versorgung schwerwiegende Folgen haben, bis hin zu einer lebenslangen Behinderung oder dem Tod. Was können Sie in solchen Fällen tun? Maßgeblich ist vor allem, ob Ihre Ärztin oder Ihr Arzt von anerkannten medizinischen Standards abgewichen ist.

Welche Behandlungs- und Aufklärungsfehler gibt es und wie erkenne ich sie?

Fehler können im Patientengespräch oder bei der Befunderhebung genauso wie bei einer Operation oder der Dosierung von Medikamenten passieren. Die häufigsten Fehler bei der medizinischen Behandlung sind:

Aufklärungsfehler: Geschieht die Aufklärung durch Ihre Ärztin oder Ihren Arzt nicht oder nur unzureichend, liegt keine wirksame Einwilligung in die Behandlung vor. Dies kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Haftung der Ärztin oder des Arztes führen.

Diagnosefehler: Die richtige Diagnose ist die Basis jeder Behandlung. Die Ärztin oder der Arzt muss deshalb im Regelfall allen Ursachen für die Beschwerden der Patientin oder des Patienten nachgehen.

Therapiefehler: Weicht Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bei der Therapiewahl ohne Grund von den medizinischen Standards ab, liegt womöglich ein Behandlungsfehler vor – beispielsweise, wenn die Dosierung der Medikamente nicht richtig ist oder die Ärztin oder der Arzt eine Injektion falsch setzt.

Organisationsfehler: Führen übermäßig lange Wartezeiten bei Patientinnen und Patienten zu gesundheitlichen Schäden, kann ein Organisationsfehler vorliegen. So müssen in einer Rettungsstelle beispielsweise immer so viele Ärztinnen und Ärzte eingesetzt werden, dass kein Notfall wegen fehlenden Personals übermäßig lange ohne Versorgung bleibt.

Fehler im Anschluss an die Behandlung: Ihre Ärztin oder Ihr Arzt muss Sie vor der Entlassung darüber informieren, was Sie beachten sollten – beispielsweise Kontrolluntersuchungen oder die Einnahme von Medikamenten. Fehlen diese Infos und Ihnen entsteht dadurch ein gesundheitlicher Schaden, kann meist ein Behandlungsfehler vorgeworfen werden.

Verstöße gegen Hygienestandards: Gerade für geschwächte Menschen stellen Keime ein Risiko dar. Verstöße gegen Hygienestandards werden deshalb oft als Behandlungsfehler bewertet – zum Beispiel, wenn die Ärztin oder der Arzt vor dem Setzen einer Spritze vergisst, die Hände zu desinfizieren, und es daraufhin zu einer Entzündung kommt.

Wo finde ich Rat und Unterstützung?

Sad disabled woman claiming on mobile phone about paper notice at homeVermuten Sie einen Behandlungsfehler, sollten Sie zunächst ein offenes Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt führen. Diese oder dieser ist verpflichtet, Sie umfassend zu informieren – auf Nachfrage auch über eigene Fehler. Sprechen Sie Ihren Verdacht direkt an. Häufig können so unbegründete Vermutungen bereits geklärt werden.

Bleiben nach diesem Gespräch dennoch Unklarheiten bestehen, können Sie sich an Ihre Krankenkasse wenden. Denn die gesetzlichen Kassen sind verpflichtet, ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern kostenlos zu unterstützen. Sie können bei Verdacht auf eine fehlerhafte Behandlung ein Gutachten des Medizinischen Dienstes einholen. Darüber hinaus kann die Krankenkasse Ihnen wichtige Informationen für ein Gerichtsverfahren zugänglich machen – wenn Sie dazu einwilligen. Weitere mögliche Anlaufstellen sind die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, die Verbraucherzentralen und Selbsthilfeorganisationen. Auch die Ärzte- beziehungsweise Zahnärztekammern bieten Patientenberatung an. Ist der Fehler im Krankenhaus entstanden, können Sie sich an die Klinikleitung oder Patientenbeschwerdestelle des Hauses wenden.

In jedem Fall sollten Sie sich Ihre Patientenakte vorlegen lassen (siehe hierzu auch den Abschnitt „Welche Rechte habe ich beim Einblick in die Patientenakte?“). Nur in besonderen Ausnahmefällen darf Ihre Ärztin oder Ihr Arzt die Einsicht ablehnen. Eine Kopie der Akte können Sie dann als Grundlage für weitere Beratungen sowie für Nachfragen bei Ihrer Krankenkasse nutzen.

Welche Ansprüche stehen Ihnen im Schadensfall zu?

Es gibt viele Folgen von Behandlungsfehlern, und dabei können auch Vermögensschäden entstehen – beispielsweise, wenn Sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr arbeiten können. Als Betroffene oder Betroffener haben Sie einen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz. Diesen finanziellen Ausgleich können Sie gerichtlich geltend machen.

Welche Schlichtungsmöglichkeiten gibt es?

Die Ärzte- und Zahnärztekammern haben Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die es den Beteiligten erleichtern sollen, Streitfälle ohne Gerichtsverfahren beizulegen. Die Verfahren sind je nach Bundesland unterschiedlich und erfolgen meistens schriftlich. Die Ärztekammern sowie die einige Zahnärztekammern bieten diese Verfahren für Patienten kostenlos an. Die Teilnahme ist für alle Beteiligten freiwillig, das Ergebnis nicht bindend.

Wann brauche ich rechtlichen Beistand?

Erhärtet sich Ihr Verdacht, kann es sinnvoll sein, sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt beraten zu lassen. Auf Medizinrecht spezialisierte Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte finden Sie u. a. über das Bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis und die Anwaltssuche des Deutschen Anwaltvereins. Die anwaltlichen Kosten orientieren sich am sogenannten Streitwert, also an der Geldsumme, die Sie als Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld anstreben. Prüfen Sie, ob Sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben.

Wie fordere ich im Streitfall meine Patientenrechte ein?

Führen Ihre Bemühungen um Klärung nicht zum Erfolg, können Sie vor den Zivilgerichten Ihre Ansprüche einklagen. Bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro ist das Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht. Entscheiden Sie sich für ein Gerichtsverfahren, sollten Sie sich in jedem Fall durch eine Anwältin oder einen Anwalt vertreten lassen. Ist Ihre Klage erfolgreich, muss die Ärztin oder der Arzt die Kosten des Verfahrens einschließlich Ihrer Anwaltskosten übernehmen. Scheitert Ihre Klage, müssen Sie sämtliche Prozesskosten bezahlen. Bei einer teilweise erfolgreichen Klage werden die Kosten unter den Streitparteien aufgeteilt.

Was muss ich tun, um einen Behandlungsfehler nachzuweisen?

Richter unterschreibtDie Beweislast bei Behandlungsfehlern liegt grundsätzlich bei der Patientin oder beim Patienten. Achtung: Der Behandlungsfehler muss auch der Grund für den Schaden gewesen sein. Vergisst Ihre Ärztin oder Ihr Arzt beispielsweise vor einer Operation ein blutverdünnendes Mittel abzusetzen und führen übermäßig starke Blutungen daraufhin zu Komplikationen, müssen Sie beweisen, dass die Komplikationen durch das Mittel verursacht wurden. Vor Gericht ist oft die größte Hürde, den Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden zu beweisen.

Das Gericht kann zur Klärung von medizinischen Fragen Sachverständige hinzuziehen und Gutachten einholen. Das Gericht kann dafür auch Sie als Kläger um Vorschläge bitten. Ein weiteres wichtiges Beweismittel sind Zeugenaussagen des Pflegepersonals, von medizinischen Fachangestellten, anderen Ärztinnen und Ärzten, Bettnachbarn oder Angehörigen oder Bekannten. Empfehlenswert ist zudem, bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler ein Patiententagebuch zu führen. Darin lassen sich Notizen nach Arztgesprächen machen oder Anschriften von Bettnachbarn festhalten, die als Zeugen in Frage kommen

Gibt es Fälle, in denen die Beweislast bei der Ärztin oder beim Arzt liegt?

Bei einem sogenannten groben Behandlungsfehler sieht das Gesetz eine sogenannte Umkehr der Beweislast vor. Dann muss die Ärztin oder der Arzt das Gegenteil beweisen. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Ärztin oder der Arzt besonders schwerwiegend gegen medizinische Standards verstoßen hat – beispielsweise, wenn sie oder er bei einer Operation ein anderes als das kranke Organ entnimmt. Mithilfe von Sachverständigen entscheidet das Gericht, ob die Behandlung als grob fehlerhaft zu werten ist oder nicht.

Auch beim Einhalten von Hygienestandards, der Sicherheit medizinisch-technischer Geräte oder dem richtigen Lagern der Patientin oder des Patienten kann es zu einer Beweiserleichterung kommen. Dann vermutet das Gericht zunächst, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Die oder der Behandelnde muss dann das Gegenteil beweisen.

Vor Gericht muss die Ärztin oder der Arzt zudem beweisen, dass sie oder er Sie entsprechend aufgeklärt hat. Hat eine Ärztin oder ein Arzt die Aufklärung nicht dokumentiert, gilt eine Beweiserleichterung. Es wird dann zu Lasten der Ärztin oder des Arztes vermutet, dass die Aufklärung nicht erfolgt ist und es damit keine wirksame Einwilligung in die Behandlung gab.

Wie lange kann ich Ansprüche durch Behandlungsfehler geltend machen?

Die Verjährungsfrist für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Behandlungsfehlern beträgt in der Regel drei Jahre. Gesundheitliche Schäden zeigen sich jedoch manchmal erst lange nach einem fehlerhaften Eingriff. Daher beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ende des Jahres, in dem Sie von einem möglichen Behandlungsfehler erfahren haben oder hätten erfahren können – auch wenn dies erst 10 oder 15 Jahre nach der Behandlung der Fall ist. Spätestens 30 Jahre nach dem Eingriff verjährt der Anspruch jedoch vollends.

Dann werfen Sie auch einen Blick in unsere
barrierefreie PDF-Broschüre
„Ratgeber für Patientenrechte“
für noch ausführlichere Informationen!

Zur Broschüre >>

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP) stellt zudem eine aktuelle und vollständig aktualisierte Informationsbroschüre zu den Patientenrechten und Ärztepflichten zur Verfügung. Die Broschüre kann auf der Homepage der BAGP kostenfrei heruntergeladen werden.

 Zur Broschüre >>

Cover

Auch auf den Seiten des Bundesministeriums der Justiz finden Sie Informationen zum Thema Patientenrechte/Behandlungsvertrag sowie zur Patientenverfügung.

Zur Broschüre >>

Broschüre Patientenverfügung

Geschichte der Patientenrechte

Die Patientenrechte in Deutschland waren vor dem Patientenrechtegesetz 2013 maßgeblich durch die Rechtsprechung geprägt. Patientenrechte fanden sich verstreut in unterschiedlichen Gesetzestexten. Eine stärkere Fokussierung auf die Rechte von Patienten fand erst seit den 1970er Jahren statt.

  • Die Anfänge der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung kamen mit dem 52. Deutschen Juristentag 1978 auf, auf dem die Frage erörtert wurde: „Empfiehlt es sich, im Interesse der Patienten und Ärzte ergänzende Regelungen für das ärztliche Vertrags-(Standes-) und Haftungsrecht einzuführen?“ Es wurde über die Notwendigkeit spezialgesetzlicher Regelungen zum Behandlungsvertrag und Arzthaftungsrecht diskutiert. Im Ergebnis wurde aber die Empfehlung, die Rechte und Pflichten im ärztlichen Behandlungsverhältnis gesetzlich zu regeln, abgelehnt.
  • 1999 beschloss die 72. Gesundheitsministerkonferenz die Erstellung einer Broschüre mit dem Titel „Patientenrechte in Deutschland heute“. Im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz legte die Bundesärztekammer im gleichen Jahr einen Entwurf einer Charta der Patientenrechte vor, die jedoch keinen verbindlichen Charakter hatte und der Öffentlichkeit wenig bekannt war.
  • 2001 empfahl der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten, die Patientenrechte in einem eigenständigen Patientenrechte-Gesetz zusammenzufassen. Eine eigenständige gesetzliche Regelung sei erforderlich, um die derzeit komplexe rechtliche Situation im Gesundheitswesen für die Patienten in einfacher Weise identifizierbar zu machen.
  • 2002 erarbeitete eine interministerielle Arbeitsgruppe die Charta „Patientenrechte in Deutschland“.
  • 2009 legte die Arbeitsgruppe Patientenrechtegesetz unter Leitung der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, Helga Kühn-Mengel, Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz vor.
  • 2010 startete der Nachfolger, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller, erneut mit der Initiative für ein Patientenrechtegesetz.
  • Am 26. Februar 2013 trat nach jahrelangen Diskussionen das Patientenrechtegesetz in Kraft. Dieses Gesetz verankert das Behandlungs- und Arzthaftungsrecht als eigenen Vertragstypus im Bürgerlichen Gesetzbuches und schreibt die wesentlichen Rechte der Patientinnen und Patienten fest. Dazu zählen zum Beispiel das Recht auf umfassende und rechtzeitige Aufklärung oder das Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen. Damit wurden erstmals die Patientenrechte auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gestellt. Patientinnen und Patienten ist es nun möglich, ihre Rechte besser durchsetzen zu können. Aber auch für Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe im Versorgungsprozess schafft das Gesetz Rechtssicherheit. Zudem verbessert das Gesetz die Verfahrensrechte gesetzlich Versicherter bei Behandlungsfehlern und Leistungsentscheidungen – und stärkt die Patientenbeteiligung.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Gesetzgebung in Deutschland darauf konzentriert, die Patientenrechte zu stärken. Dennoch gibt es noch immer Diskussionen darüber, ob bestimmte Patientengruppen wie psychisch Kranke oder Personen mit Migrationshintergrund ausreichend geschützt sind.

Forderungen des Patientenbeauftragten der Bundesregierung für ein Patientenrechtestärkungsgesetz

Das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten –Patientenrechtegesetz – jährt sich 2023 zum zehnten Mal. Es verfolgte das Ziel, Transparenz und Rechtssicherheit hinsichtlich der bis dahin bereits bestandenen umfangreichen Rechte der Patientinnen und Patienten herzustellen und bestehende Vollzugsdefizite in der Praxis abzubauen, um die tatsächliche Durchsetzung dieser Rechte zu verbessern. Zugleich sollten Patientinnen und Patienten im Sinne einer verbesserten Gesundheitsversorgung geschützt und insbesondere im Fall eines Behandlungsfehlers stärker unterstützt werden.

Nach nunmehr zehn Jahren ist es Zeit, neben der Würdigung des Erreichten eine kritische Überprüfung vorzunehmen, ob die beabsichtigten Ziele erreicht worden sind. Daneben ist aufgrund der rasant fortschreitenden Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung und des Gesundheitssystems nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und die Digitalisierung eine Überprüfung des Weiterentwicklungsbedarfs der Patientenrechte notwendig. Der Koalitionsvertrag formuliert in diesem Zusammenhang die Stärkung der Patientinnen und Patienten im bestehenden Haftungssystem bei Behandlungsfehler.

Als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten setze ich mich nachdrücklich für folgende Weiterentwicklungen ein:

Verstärkte Aufklärungspflichten

Ich engagiere mich dafür, die patientenorientierten Informations- und Aufklärungspflichten der Behandelnden zu schärfen. Das ist insbesondere mit Blick auf Individuelle Gesundheitsleistungen und für bestimmte Patientengruppen wie z.B. kognitiv eingeschränkte Patientinnen und Patienten wichtig.

Mehr Einsichtsrecht der Patientenakte

Ich möchte des Einsichtsrechts der Patientinnen und Patienten in ihre Patientenakte stärken. Zudem sollen Patientinnen und Patienten über ihre Befugnisse in der elektronischen Patientenakte besser aufgeklärt werden.

Schwerwiegende Fehler erfassen, analysieren und vermeiden

Ich setze mich für den Aufbau eines nationalen Registers zur anonymen Erfassung von Never Events Never Events sind besonders schwerwiegende, aber vermeidbare Fehler bei einer medizinischen Behandlung, die eindeutig identifizierbar und damit messbar sind. Auch sogenannte CIRS-Berichterstattungssysteme zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen oder Beinahe-Fehlern müssen wir ausbauen. Denn solche verpflichtende Meldesysteme können die Grundlage bilden, um Daten zu Fehlern im Gesundheitswesen systematisch zu analysieren. Daraus können Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden. Anschließend kann überprüft werden, ob diese in der Praxis wirken und zu besserer Patientensicherheit führen.

Höhere Qualität der Behandlung durch Mindestmengen und Zweitmeinungen

Ich plädiere zudem für eine Ausweitung von Zweitmeinungsverfahren und Mindestmengenregelungen, um die Qualität von besonders komplexen Eingriffen zu verbessern. Beim Zweitmeinungsverfahren ist gemeint, dass Patientinnen und Patienten in mehr Fällen ein Recht auf eine zweite Meinung erhalten sollen, um eine bessere Entscheidung bei schwierigen Behandlungen fällen zu können. Die Mindestmengenregelung zielt darauf ab, dass Krankenhäuser eine jährliche Mindestanzahl bei bestimmten komplexeren Eingriffen vorweisen müssen. Damit sollen sie belegen, dass die Teams bei diesen Operationen erprobt und eingespielt sind.

Eine Neuausrichtung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) leistet durch ihr qualitätsgesichertes Informations- und Beratungsangebot einen wichtigen Beitrag zu Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten. Dieses Beratungsangebot durch eine Reform noch besser zu machen und langfristig zu sichern, ist mir ein wichtiges Anliegen.

Die Forderung des Koalitionsvertrages, die UPD neu auszurichten und in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur zu überführen, verfolge ich seit Beginn meiner Amtszeit sehr nachdrücklich. Nun sind die Reformvorbereitungen in der nächsten Phase. Die Unabhängige Patientenberatung wird zum 1. Januar 2024 neu aufgestellt.

Eine der Grundvoraussetzungen der Neueinstellung der UPD ist für mich im Sinne der Ratsuchenden sicherzustellen, dass die Beratung neutral, unabhängig und frei von jeglicher Einflussnahme durch Dritte erfolgt. Ich habe schon von früh betont, dass ich das Stiftungsmodell unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen favorisiere. Das verspricht eine höhere Akzeptanz und Bekanntheit. Ich begrüße es daher sehr, dass der Gesetzesentwurf diesen Vorschlag aufgegriffen hat.

Der Gesetzesentwurf definiert das wichtige Ziel der Stiftung, die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten und die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und mögliche Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Dieses Ziel soll durch ein bundesweites und zentral organisiertes digitales und telefonisches Informations- und Beratungsangebot erreicht werden.

Daneben soll die Stiftung auch regional beraten und informieren, um auch dem Informations- und Beratungsbedürfnis vulnerabler Gruppen Rechnung zu tragen. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig. Die UPD sollte dazu beitragen, die gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland zu verringern und die Bedarfsgerechtigkeit der gesundheitlichen Versorgung zu stärken. Dazu sind auch regionale Angebote erforderlich. Nur so können wir auch die diejenigen Ratsuchenden vor Ort erreichen, die nicht das Wissen oder die Möglichkeiten haben, digitale Informations- und Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Ich hätte eine Finanzierung aus Steuermitteln begrüßt, dies wäre allerdings mit Risiken für die Dauerhaftigkeit verbunden. Neben der Finanzierung durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen möchte ich einen weiteren Vorschlag einbringen: nämlich den Gemeinsamen Bundesausschuss als Stifter und den Gesundheitsfonds als Finanzierungsquelle. Dann könnten die privaten Krankenkassen Ihren Unterstützungsbeitrag wieder als freiwillige Maßnahme leisten.

Senkung des Beweismaßes

Seit langem und auch schon zum Zeitpunkt der Diskussionen zum Patientenrechtegesetz 2013 besteht die Erkenntnis, dass die Anforderungen an die Beweislast zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen aufgrund vermuteter Behandlungsfehler zu hoch seien. Ich setze mich deswegen für eine Senkung des Beweismaßes hinsichtlich der Kausalität zwischen Fehler und Schaden von der richterlichen Überzeugung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit Aktuell liegt die Beweislast bei Behandlungsfehlern grundsätzlich bei den Patientinnen und Patienten, das heißt sie sind mit dem Beweis eines Behandlungsfehlers, eines Schadens sowie des entsprechenden Kausalzusammenhangs belastet, und zwar mit dem hohen Beweismaß der „richterlichen Überzeugung“, also mit dem Vollbeweis nach § 286 ZPO. Die Patientenseite ist aber aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit und des vorhandenen Wissensgefälles (Informationsasymmetrie) zwischen ihnen und den Ärztinnen und Ärzten in einer schlechten Ausgangsposition. Zudem lässt die Komplexität der Vorgänge im menschlichen Körper alternative Ursachen für den Schadenseintritt häufig nicht sicher ausschließen und der Beweis der Kausalität zur vollen richterlichen Überzeugung kann nicht erbracht werden. In diesen Fällen entfällt die Haftung der Behandlungsseite trotz feststehenden Fehlers vollständig. Dies führt dazu, dass nicht nur von den betroffenen Patienten selbst, sondern auch aus Teilen der Richter- und Anwaltschaft eine Gerechtigkeitslücke empfunden wird. Umschrieben wird die Situation mit „fehlender Augenhöhe“ und „fehlender Waffengleichheit“. Hier bedarf es dringend einer Nachjustierung und Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern.

Die Senkung des Beweismaßes von der richterlichen Überzeugung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist in den Ländern des common law, in Österreich und in der Schweiz gängige Rechtspraxis und wird der Komplexität des menschlichen Körpers insbesondere bei Mehrfacherkrankten gerecht.

Stärkung des Einsichtsrechts in die Patientenakte

Die Einsicht in die Patientenakte ist weiterhin keine Selbstverständlichkeit. Den Patientinnen und Patienten wird die Einsicht häufig nur verzögert, unvollständig oder gar nicht gewährt. Zudem ist die Frage derzeit ungeklärt, wer die Kosten für den Aufwand der Einsichtnahme zu tragen hat. Nach § 630g Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) trägt dies die Patientenseite wohingegen nach Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Behandelnden eine Kopie der Unterlagen kostenfrei an die Patientin oder den Patienten zuzusenden haben. Letztlich können für die Verfolgung von vermuteten Behandlungsfehlern weitere Dokumente entscheidungsrelevant sein – etwa Hygienepläne, Organisationspläne wie Dienstpläne, Funktionsprüfungen medizinischer Geräte, etc. Zu diesen weiteren Dokumenten zählen auch die Metadaten der Patientenakte, also ihre Änderungs- und Speicherdaten, da sie für die Richtigkeit von entscheidender Bedeutung sind. Nur so können die Anforderungen an die Dokumentation einer Behandlung nach § 630f BGB, zeitnah, vollständig und die Transparenz von Änderungen, nachvollzogen werden. Ich setze mich deswegen für eine Stärkung des Einsichtsrechts in die Patientenakte durch bessere Durchsetzung und Erweiterung auf weitere Unterlagen bei Nachweis eines berechtigten Interesses ein, wenn diese für die Rechtsdurchsetzung erforderlich sind.

Schärfung der patientenorientierten Informations- und Aufklärungspflichten der Behandelnden

Es gibt die rechtliche Pflicht zur Aufklärung über alle für die Einwilligung wesentlichen Umstände, auch über Behandlungsalternativen. Zudem muss die Ärztin oder der Arzt vor Erbringung einer Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL) über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung informieren; bei gesetzlich Versicherten muss zudem ein schriftlicher Behandlungsvertrag vor der Leistungserbringung geschlossen werden. Diesen rechtlichen Vorgaben wird in großem Umfang nicht nachgekommen. Es besteht bei IGe-Leistungen kein Mangel an Patientenrechten und rechtlichen Vorgaben, es besteht ein Umsetzungsproblem. Eine Lösung könnte sein, die Behandelnden zu verpflichten, vor der Durchführung einer solchen Leistung eine unabhängige, qualitätsgesicherte Patienteninformation auszuhändigen und zu erläutern, was das in der individuellen Situation für die Patientin und den Patienten bedeutet. Letztlich muss sichergestellt werden, dass Patienten entsprechend ihren individuellen Verständnismöglichkeiten, die für sie notwendige Aufklärung und Information erhalten, damit sie in die medizinische Maßnahme einwilligen oder diese ablehnen können. Für kognitiv beeinträchtigte Menschen oder Minderjährige gilt hierfür gerade nicht der Maßstab der Geschäftsfähigkeit, sondern der der Einwilligungs- bzw. Einsichtsfähigkeit.

Einführung eines Never-Event-Registers und Erweiterung der Fehlermeldesysteme auf Fehler

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – gerade bei den Arbeitsbedingungen und dem Personalmangel in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung.  Um Behandlungsfehler zu vermeiden, bedarf es der Transparenz über die Gründe und die Zusammenhänge ihrer Entstehung. Eine Meldepflicht von Fehlern, die nicht passieren dürfen, kann einen Impuls setzen, der die Patientensicherheits-Kultur verbessert. Ein Never-Event-Register ermöglicht eine zielführende Evaluation, ob die Anstrengungen solche Fehler zu vermeiden auch wirksam sind. Ein weiteres Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit ist die Nutzung von Critical Incident Reporting Systems (CIRS). Hierüber soll patientensicherheits-relevantes Wissen gewonnen werden, indem kritische Ereignisse anonym dokumentiert und von anderen eingesehen werden können. In einigen der bestehenden Systeme können zurzeit jedoch nur Beinahe-Fehler, aber keine tatsächlich eingetretenen Fehler dokumentiert werden. Aber gerade dies birgt den wichtigsten Erfahrungsschatz für eine Fehlervermeidung. Letztlich sollten Krankenhäuser CIR-Systeme nicht deshalb abschalten, weil sie eine rechtliche Verfolgung wegen Organisationsverschulden befürchten. Hierfür bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung.

Schreiben Sie mir Ihre Meinung dazu! Sie erreichen mein Team und mich hier >>.

Stefan Schwartze, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten